Der Antiquariatslehrling von Bernhard Wendt

Der Antiquariatslehrling - 1938

 

Untertitel: Eine Einweisung in die buchhändlerische Arbeit.

Unter diesem Titel veröffentlichte der Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig im Jahre 1938 das Nachschlagewerk für den angehenden Antiquar/in.

Der Autor, Bernhard Wendt, stellt in diesem Buch, das 182 Seiten umfasst, erstmals den Beruf des Antiquars vor, erläuterte seinen Aufgabenbereich, vermittelte erste Grundkenntnisse und legte damit einen neuen Grundstein im Antiquariatsbuchhandel des 20. Jahrhunderts. Er gilt heute als der Urvater des Deutschen Antiquariatsbuchhandels.

Das Buch beginnt mit der Vorstellung des Antiquars als Beruf und begibt sich anschließend auf einen kleinen Streifzug durch die Geschichte des Antiquariatsbuchhandels.

Im Anschluss werden die (damaligen) Rechtsgrundlagen ebenso ausführlich beschrieben, wie die gesamte Betriebseinrichtung eines Antiquariats. Dem Einkauf sowie der Bearbeitung der Handelsgegenstände, die darauf folgende Preisbildung, der Verkauf und der Versand und auch dem Schriftverkehr mit potenziellen Kunden sind eigene Kapitel zugeordnet.

Auch auf die Verwendung der antiquariatstypischen Werbe- und Vertriebsmittel wird ausführlich eingegangen. Ganze 18 Seiten widmete er der so wichtigen Thematik der Fachbücherei des Antiquars, heute auch als Handbibliothek bezeichnet. Weiterhin werden die Vermögensaufnahme und Lagerbewertung des Antiquariats (Inventur) behandelt.

Der II. Teil des Buches beschäftigt sich mit den allgemeinen Verkehrsrichtungen des Buchhandels. Darunter fällt auch das damalige Bestellwesen, das Abrechnungs- und Zahlungswesen und die gesamte Buchführung, die, zur damaligen Zeit noch ohne Computer oder Abrechnungssoftware erfolgte. Eher amüsant zu den heutigen Möglichkeiten liest sich dieses Kapitel, dass aber einen umfassenden Überblick über die damaligen Aufgaben des Antiquars vermittelt.

Grundkenntnisse für die Arbeit im Antiquariat werden im III. Kapitel dieses Buches behandelt. Einer technischen Warenkunde schließt sich die Geschichte des Buches an. Wichtige Fachausdrücke werden im Abschnitt Wissenschaftskunde behandelt und auf 5 Seiten folgt eine Aufzählung der, zur damaligen Zeit wichtigen Deutschen Antiquariatsfirmen, wovon einige auch heute noch aktiv sind.

Hilfstabellen für die Entzifferung fremder Schriftzeichen sind ebenso vorhanden, wie die Übersetzung einiger latinisierter Ortsnamen und die Berechnung schwieriger Zeitangaben.

Als krönenden Abschluss enthält das Buch ein Verzeichnis der in deutschen und fremdsprachigen Büchertiteln und Katalogen am häufigsten vorkommenden Ausdrücke und Abkürzungen.

Im Anhang befindet sich eine Kopie der Unterlagen für die ordnungsgemäße Berufsausbildung nach dem Lehrlingspass der Gruppe Buchhandel in der Reichsschrifttumskammer und eine kleine Korrekturtabelle.

Das Buch wurde, wie im oberen Bild zu erkennen, in altdeutscher Schrift, der sogenannten Frakturschrift gedruckt und enthält natürlich auch der damaligen nationalsozialistischen Zeit angemessene ‘Formulierungen‘.

Alles in allem trotzdem eines der wichtigsten und ersten Nachschlagewerke für jeden, der den Beruf aus Liebe zum gebrauchten Buch ausübt und ein ständiger Begleiter in vielen Fragen die sich im Zuge der Antiquariatsarbeit von damals und heute ergeben.

 

Der Antiquariatsbuchhandel - 1952

 

Im Jahre 1952 folgte die 2. Auflage des Buches unter der Regie von Bernhard Wendt, welches sie oben sehen. Diesmal unter dem Titel Der Antiquariatsbuchhandel und dem Untertitel Ein Lehrbuch für junge Antiquare.

Verlegt im Dr. Ernst Hauswedell & Co. Verlages in Hamburg umfasst es 178 Seiten. Der Inhalt ist identisch dem der ersten Auflage und wurde natürlich an die Begebenheiten der damaligen Zeit angepasst und die einzelnen Kapitel entsprechend aktualisiert. Ergänzt wurde diese Ausgabe um eine Auflistung der Sprachen der Erde und ein extra Kapitel, dass sich mit der Entfernung von Flecken aus Büchern und Kunstblättern beschäftigt.

 

Der Antiquariatsbuchhandel - 1974

 

Ganze 22 Jahre musste die Fachwelt ausharren, bis 1974 endlich die dritte Auflage von Bernhard Wendt (im oberen Bild) wieder unter dem Titel Der Antiquariatsbuchhandel und dem Untertitel Eine Fachkunde für junge Antiquare, ebenfalls im Hauswedell Verlag erschien.

Auf 215 Seiten erfährt der interessierte Leser alles, was für die Ausbildung des angehenden jungen Antiquar/in wichtig erscheint. Die Hilfstabellen wurden  um die Alphabete der griechischen, lateinischen, russischen und hebräischen Sprache erweitert und die Übersicht über die ordnungsgemäße Ausbildung im Antiquariatsbuchhandel, wie auch der gesamte bereits in der I. Auflage beschriebene Inhalt, aktualisiert und an die damaligen Verhältnisse angepasst.

Zum Ausklang ist ein Ausspruch des bedeutenden und unvergessenen Antiquars Wilhelm Junk angefügt, den ich ihnen nicht vorenthalten möchte:

“Gelehrter als der Kaufmann, kaufmännischer als der Gelehrte: Das nenne ich den Antiquar.

 

Der Antiquariatsbuchhandel - 2003

 

Dieses oben abgebildete Buch stammt aus dem Jahre 2003 und ist die derzeit vierte und völlig neu bearbeitete aktuellste Auflage des Klassikers von Bernhard Wendt mit 227 Seiten. Der Untertitel Eine Fachkunde für Antiquare und Büchersammler macht deutlich, wen die in diesem Fachbuch enthaltenen Informationen ansprechen sollen. Gerhard Gruber, der die Inhalte des Buches von Bernhard Wendt im großen und ganzen übernommen und natürlich aktualisiert hat, war selbst jahrelang als Antiquar tätig und verfügt dadurch über umfangreiches Wissen und genug Erfahrung, um dieses Fachbuch an die heutigen Bedürfnisse anzupassen.

Vieles hat sich seit dem Einzug des Personalcomputer in unsere Haushalte verändert. Warenwirtschaftssysteme übernehmen einen Großteil der täglich anfallenden Schreibarbeiten, Antiquariatskataloge werden mit Hilfe von Publisher- und Grafikprogrammen nach Möglichkeit selbst erstellt und an die Kunden versendet und das Internet hat mit all seinen Vor- und Nachteilen Einzug in den Antiquariatsbuchhandel gehalten. Zum einen können potentielle Kunden nun weltweit mit dem eigenen Lagerbestand erreicht werden und zum anderen sind, bedingt durch die Angebotsvielfalt auch die Preise für viele der einst wirklich interessanten und wertvollen Bücher drastisch gesunken.

Ausführlich und auch für den Laien in verständlicher Weise, werden die sich stark veränderten Aufgabenbereiche des Antiquariatsbuchhandels der heutigen Zeit erläutert und geben auch dem leidenschaftlichen Büchersammler wichtige Hintergrundinformationen im Geschäft mit dem gebrauchten Buch. Ergänzt wird diese Auflage durch ein Verzeichnis der wichtigsten Anschriften und Internetadressen wie Verbände, Bücherpools, Metasuchmaschinen und Datenbanken für eine bibliographische Recherche. Im Anhang befindet sich außerdem eine Empfehlung zum Geschäftsverkehr zwischen Wissenschaftlichen Bibliotheken und dem Antiquariatsbuchhandel aus dem Jahre 1996.

Der damalige Preis mag mit 49,- Euro auf den ersten Blick etwas hoch erscheinen, aber man sollte nicht vergessen, dass hier eine der umfangreichsten Sammlungen an antiquarischem Wissen zur Verfügung gestellt wird, die seinesgleichen sucht. Glücklicherweise ist der Preis für ein Neubuch, wie soeben nachgeschlagen, in den letzten Jahren gesunken und mit etwas Glück kann man auf den bekannten Plattformen ein noch günstigeres Exemplar erhaschen, dessen Buchstaben hoffentlich noch nicht rausgefallen sind. So sind im Dezember 2020, 11 Jahre nach Erstellung dieses Artikels, schon einige Exemplare für unter 30 Euro zu haben.

Anzumerken wäre noch, das seit der Veröffentlichung dieses Buches im Jahre 2003 nun schon wieder ein paar Jährchen ins Land gezogen sind und der Antiquariatsbuchhandel, auch bedingt durch das Internet einem ständigen Wandel und damit im Zusammenhang stehenden preislichen Schwankungen der Objekte der Begierde, unterworfen ist.

Wohin diese Entwicklung in den nächsten Jahren driftet, lässt sich nur schwer voraussagen. Ich habe versucht, die Entwicklung des antiquarischen Buches im Internet in den nächsten Jahren in dem Artikel Antiquarische Bücher sterben aus, zu untersuchen. Ich bin mir jedoch sicher, dass ein Antiquariat auch in Zukunft seinen Besitzer ernähren kann, solange er die grundsätzlichen Hinweise und Regeln der in diesen hier vorgestellten Büchern annähernd einhält und der zukünftigen Entwicklung aufgeschlossen gegenübersteht.

Das vorliegende Fachbuch hat in all seinen 4 Auflagen den Deutschen Antiquariatsbuchhandel in außerordentlichem Maße geprägt und viele erfahrene Antiquare schwören auf den ‘Wendt‘ als Fachbuch. Als unverzichtbarer Begleiter möchte ich diese Lektüre jedem empfehlen, der sich in Zukunft als Seiteneinsteiger oder Bücherliebhaber fachgerecht und intensiv mit dem Berufsstand des Antiquars oder der Antiquarin auseinandersetzen möchte.

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“Es gibt alte Bücher, die nur Trödelkram sind, bestenfalls Makulatur. Es gibt aber auch alte Bücher, wirklich zum zweiten Leben wiedererweckte, die Schätze sind, Schätze die nicht immer jedermann leicht greifbar auf der Straße liegen, sondern tief verborgen des rechten Schatzgräbers harren, der sie erlöse.” (G. Menz)

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