Karl May – Einfältiger Zeitgenosse oder genialer Schriftsteller?

Karl May

Karl May – 1907

Sechs Kerzen hat er als junger Student unterschlagen. Eine 6-wöchige Haftstrafe musste er antreten, weil er seinem Zimmergenossen eine Taschenuhr stahl. Einfallsreich war unser heutiger Titelheld gewesen, als er sich unter falschem Namen einen Pelzmantel erschlich und ihn gegen 10 Taler in einem Leihhaus versetzte.

Sogar ein Steckbrief zierte sein Antlitz. Beschuldigt unter anderem wegen Diebstahls, Betrugs und der Hochstapelei. 1865 wurde er für 4 Jahre eingelocht und auch nach seiner Entlassung geriet er wieder auf die schiefe Bahn. Abermals 4 Jahre Gefängnis verbrachte er im Zuchthaus Waldheim von 1870-1874.

Aber ist das wirklich Carl Friedrich May von dem ich hier schreibe? Dieser berühmte deutsche Schriftsteller, dessen Bücher eine weltweite Auflage von schätzungsweise 200 Millionen erreichten? Ja, Herr May kann auf eine rekordverdächtige kriminelle Vergangenheit zurück blicken. Vielleicht waren gerade diese 8 Jahre Gefängnis nötig, die ihn zu einem der produktivsten Autoren von Abenteuerromanen formten. Vor allem die Reiseliteratur der Gefängnisbibliothek hatte es ihm angetan.

Seine Schriftsteller-Karriere begann Karl May im November 1874 mit der Erzählung Die Rose von Ernstthal. Weitere folgten und 1879 machte ihm der Deutsche Hausschatz, eine katholische Wochenzeitung aus Regensburg, das Angebot, seine Erzählungen zuerst dort zu veröffentlichen. Gleichzeitig bot er die Geschichten unter verschiedenen Pseudonymen und Titeln auch anderen Zeitungen und Zeitschriften an, die diese ebenfalls druckten.

Sicher war diese Vorgehensweise nicht unbedingt förderlich für die Vielfalt des deutschen Schriftentums, aber ihm sicherte es damals den Lebensunterhalt und eventuell hat er erstmals aufgezeigt, wie man einen einmal geschriebenen Text auch anderweitig verwerten kann, wenn man den Inhalt, Autor oder den Titel geringfügig abändert. Wenige Autoren beherrschen diese Kunst und der Erfolg gab ihm schließlich recht.

Was ihn aber nun zu einem der bekanntesten Schriftsteller nicht nur im deutschsprachigen Raum machte, sind wohl seine unvergessenen Bücher der Helden Winnetou, Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi. Kaum ein Kind kommt an dieser Literatur vorbei und ich gebe gerne zu; auch mich haben die Bücher damals in ihren Bann gezogen und nicht mehr losgelassen. Gibt es heute noch Kinder, die sich die Abenteurerromane von Karl May zu Gemüte führen oder wurden sie allesamt von Harry Potter, Herr der Ringe, Superman, und anderen neuzeitlichen Helden geprägt?

In den Jahren 1899 und 1890 unternahm Karl May dann tatsächlich erste Reisen, die er in seinen Erzählungen immer beschrieb. In den Orient verschlug es den bereits 57-jährigen. Ein Reisetagebuch aus dieser Zeit ist leider nur in Bruchstücken und Teilabschriften erhalten. Wer hat behauptet, Karl May sei nie in Amerika gewesen? Das ist so nicht richtig. 1908 begab er sich auf eine 6-wöchige Reise in die USA und holte sich dort unter anderem Inspiration und Ideen für sein Buch Winnetou IV.

Nur 4 Jahre später verstarb Karl May am 30. März 1912. Morgen begeht der bewundernswerte Schriftsteller seinen 100. Todestag. Grund genug, ihm und seinem literarischen Schaffen einen Artikel auf diesen Webseiten zu widmen.

Was aber wollte Karl May mit seinen Texten erreichen? Ein roter Faden zieht sich durch einen Großteil seiner Bücher. Das Gute siegt am Ende meist über das Böse. Ein altes archetypisches Vorstellungsmuster, dass seit Jahrtausenden tief im Bewusstsein der Menschen verankert ist. Auch allgemeingültige Fragen wie – Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wer sind wir? – , die sich jeder Mensch eines Tages stellt, werden des Öfteren in seinen Aufzeichnungen behandelt.

Sicher haben diese Überlegungen einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg seiner Bücher genommen. Verfilmungen, Hörbücher und sogar Festspiele wurden nach seinen Vorgaben inszeniert. Man denke nur an die grandiosen Karl-May-Festspiele, die jährlich in Bad Segeberg und anderen Orten Deutschlands aufgeführt werden. Sie halten sein Lebenswerk in allen Ehren. Sogar ein Asteroid, den Freimut Börngen und Lutz D. Schmadel am 11. Oktober 1990 entdeckten, erhielt den Namen des berühmten Schriftstellers.

In mehr als 33 Sprachen wurden seine Bücher übersetzt. Karl May versetzte sich nicht nur in die Rolle der Heldenfigur, sondern glaubte tatsächlich, selbst als Old Shatterhand die Abenteuer mit seinem Blutsbruder Winnetou zu erleben. So konnte er noch intensiver in die Abenteuer eintauchen. Am Ende wurden ihm aber Pseudologie und Hochstapelei vorgeworfen. Er wehrte sich mit der Aussage, dass alle seine Werke eher symbolisch aufzufassen seien.

Der Schatz im Silbersee zählt unbestreitbar zu den erfolgreichsten Büchern. Jeder erinnert sich an die geniale Verfilmung mit Lex Barker und Piere Brice, die erstmals 1962 über die Leinwände der Kinos flimmerte. Karl May betonte aber immer wieder, dass gerade die späten Werke seines Schaffens, wie Ardistan und Dschinnistan, Und Friede auf Erden aber auch Winnetou IV zu seinen bedeutendsten Schriften gehören.

Er löste sich damit von der Abenteuerschriftstellerei und schrieb eher symbolische Romane mit weltanschaulich-religiösem Inhalt und pazifistischer Tendenz. Eine kurze Auflistung seiner Werke möchte ich im folgenden anfügen:

 

Frühwerke

  •     Das Buch der Liebe (1875/76, Kompilation)
  •     Geographische Predigten (1875/76)
  •     Der beiden Quitzows letzte Fahrten (1876/77, Ende nicht von Karl May)
  •     Auf hoher See gefangen (1877/78, auch Auf der See gefangen, Teile später in Old Surehand II)
  •     Scepter und Hammer (1879/80)
  •     Im fernen Westen (1879, Überarbeitung von Old Firehand (1875), später bearbeitet für Winnetou II)
  •     Der Waldläufer (1879, Bearbeitung von Gabriel Ferrys Roman Le Coureur de Bois für jugendliche Leser)
  •     Die Juweleninsel (1880–82)

 

Kolportageromane

  •     Das Waldröschen (1882–84, ein Teil erschien später bearbeitet in Old Surehand II)
  •     Die Liebe des Ulanen (1883–85)
  •     Der verlorne Sohn (1884–86)
  •     Deutsche Herzen – Deutsche Helden (1885–88, auch Deutsche Herzen, deutsche Helden)
  •     Der Weg zum Glück (1886–88)

 

Reiseerzählungen

1. Durch Wüste und Harem (1892, ab 1895 Durch die Wüste)
2. Durchs wilde Kurdistan (1892)
3. Von Bagdad nach Stambul (1892)
4. In den Schluchten des Balkan (1892)
5. Durch das Land der Skipetaren (1892)
6. Der Schut (1892)
7. Winnetou I (1893, zeitweilig auch Winnetou der Rote Gentleman I)
8. Winnetou II (1893, zeitweilig auch Winnetou der Rote Gentleman II)
9. Winnetou III (1893, zeitweilig auch Winnetou der Rote Gentleman III)
10. Orangen und Datteln (1893, Anthologie)
11. Am Stillen Ocean (1894, Anthologie)
12. Am Rio de la Plata (1894)
13. In den Cordilleren (1894)
14. Old Surehand I (1894)
15. Old Surehand II (1895)
16. Im Lande des Mahdi I (1896)
17. Im Lande des Mahdi II (1896)
18. Im Lande des Mahdi III (1896)
19. Old Surehand III (1897)
20. Satan und Ischariot I (1896)
21. Satan und Ischariot II (1897)
22. Satan und Ischariot III (1897)
23. Auf fremden Pfaden (1897, Anthologie)
24. „Weihnacht!“ (1897)
26. Im Reiche des silbernen Löwen I (1898)
27. Im Reiche des silbernen Löwen II (1898)
25. Am Jenseits (1899)
28–33 sind Reiseerzählungen, die zum Spätwerk gehören.

 

Jugenderzählungen

  •     Der Sohn des Bärenjägers (1887, ab 1890 in Die Helden des Westens)
  •     Der Geist des Llano estakata (1888, ab 1890 korrekt als Der Geist des Llano estakado in Die Helden des Westens)
  •     Kong-Kheou, das Ehrenwort (1888/89, ab 1892 Der blaurote Methusalem)
  •     Die Sklavenkarawane (1889/90)
  •     Der Schatz im Silbersee (1890/91)
  •     Das Vermächtnis des Inka (1891/92)
  •     Der Oelprinz (1893/94, ab 1905 Der Ölprinz)
  •     Der schwarze Mustang (1896/97)

 

Spätwerke

  •     Himmelsgedanken (1900, Gedichtsammlung)
  •     28. Im Reiche des silbernen Löwen III (1902)
  •     Erzgebirgische Dorfgeschichten (1903, Anthologie)
  •     29. Im Reiche des silbernen Löwen IV (1903)
  •     30. Und Friede auf Erden! (1904)
  •     Babel und Bibel (1906, Drama)
  •     31. Ardistan und Dschinnistan I (1909)
  •     32. Ardistan und Dschinnistan II (1909)
  •     33. Winnetou IV (1910)
  •     Mein Leben und Streben (1910, Autobiographie)

 

Den Nachlass des einzigartigen Schriftstellers betreut seit 1913 der Karl May Verlag. Er war es auch, der sämtliche Schriften Mays umfangreich bearbeitete und eine Art Gesammelte Werke daraus kreierte. Heute ist diese Sammlung auf immerhin 99 Bände angewachsen, die neben den umgeschriebenen Hauptwerken auch diverse Sekundärliteratur enthält. Nicht nur aus diesem Grund erreichen die Originale der vor 1913 erschienenen Werke auf Online-Auktionen erstaunliche Preise.

So wurde beispielsweise am 12.02.2012 die 1. Auflage der zweibändigen Ausgabe Ardistan und Dschinnistan für  4.210,- Euro versteigert. Oder die 33 Bände der Erstausgabe am 22.01.2010 für immerhin 907,- Euro. Seit Beginn meiner Aufzeichnungen wurden 3.849 Karl May Bücher mit einem Gesamtumsatz von mehr als 315.327,- Euro via ebay versteigert.

Falls Sie Interesse an dieser Excel-Liste haben, die nur gut verkäufliche Exemplare der Karl May Bücher seit dem 14.08.2009 enthält, können Sie sich diese bei Bedarf unter dem folgendem Link kostenlos herunterladen.

Karl May – Verkaufsliste

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesem Beitrag einen kleinen Einblick in die Welt eines großartigen Schriftstellers geben. Es ist meine Hommage an den Mann, der mit seinen Texten entscheidend die Entwicklung vieler Kinder und Jugendlicher prägte. Und wenn er morgen seinen 100. Todestag begeht, sollten sich all jene an ihn erinnern, denen Karl May etwas gegeben hat, dass man in vielen Büchern der Neuzeit schmerzlich vermisst.

Eine passende Textstelle aus dem Buch Old Surehand – Band 3 habe ich auch parat. Ich füge sie hier mit ein:

“Soll ein Buch seinen Zweck erreichen, so muß es eine Seele haben, nämlich die Seele des Verfassers. Ist es bei zugeknöpftem Rock geschrieben, so mag ich es nicht lesen.”

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